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Pflege im Wandel

Bild: ZfP

Mit ihrem Wirken beeinflussen psychiatrisch Pflegende nachhaltig den Genesungsverlauf von Patient:innen. Wie sich psychiatrische Pflege künftig gestalten lässt und was die Herausforderungen dabei sind, darum drehte sich das diesjährige Pflegesymposium des ZfP Südwürttemberg. 

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 Bis auf den letzten Platz war die Weissenauer Mehrzweckhalle beim 6. Pflegesymposium besetzt. Zu der schon seit Wochen ausgebuchten Veranstaltung waren über 300 Pflegefachkräfte und Interessierte aus dem ZfP Südwürttemberg und anderen Einrichtungen gekommen. Das Motto „positivWirken“ knüpfte an das letztjährige Motto „positiVision“ an. Weiterhin, so erklärte Ilona Herter, Moderatorin und Pflegedirektorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Donau-Riss, solle auch Positivität im Fokus des Symposiums stehen. Überwältigt von der großen Resonanz zeigte sich auch ZfP-Geschäftsführer Dr. Dieter Grupp, der bei seiner Eröffnungsrede auf die Patientenperspektive einging. Das positive Wirken von psychiatrisch Pflegenden sei schwer messbar, denn anders als in der Somatik lasse sich die Wirksamkeit im Behandlungsverlauf nicht immer abbilden. Grupp verdeutlichte: „In der Psychiatrie wirken in erster Linie das Tun und die Haltung von Menschen. Umfragen belegen, dass psychisch Erkrankte am meisten vom Kontakt zu den Pflegenden profitieren.“

 Pflege mit Potential
 Wie wirkt psychiatrische Pflege und welche Rolle nehmen Pflegende dabei ein? fragte Pflegedirektor Martin Holzke und verwies dabei auf eine vielsprechende, aktuell laufende Studie, Studie, welche die Wirksamkeit aus Patientenperspektive in Blick nimmt. „Beziehungsarbeit wirkt und ist der Kern unserer pflegerischen Tätigkeit“, so Holzke. „Patienten stehen im Mittelpunkt unseres Tuns. Sie können am besten Auskunft geben, was ihnen geholfen hat.“ Via Live-Umfrage fragte der Regionaldirektor die Tagungsteilnehmenden außerdem nach Gründen, weshalb psychiatrische Pflege nicht immer positiv wirke. Neben Fachkräftemangel und Zeitmangel wurden auch Angst vor Veränderung und Überforderung genannt. Überfordert und unter Druck fühlen sich nicht wenige Pflegefachkräfte, die in die psychiatrische Pflege wechseln. Daran knüpfte auch der Vortrag zum Thema „Pflege neu lernen – Wie wir Pflegefachpersonen in die psychiatrische Pflege einführen“ von Michael Mayer an. Pflegende müssen gut abgeholt und mit dem Fachbereich vertraut gemacht werden, so der Leiter der Akademie Bezirkskliniken Schwaben. „Berufliche Handlungskompetenz aufzubauen heißt, problem- und handlungsbasiertes Wissen zur psychiatrischen Pflege vermitteln – und dabei auch Betroffene einzubeziehen.“ Noch immer sei psychiatrische Pflege – Mayer bevorzugt hier die Bezeichnung Pflege der psychischen Gesundheit – in der Gesellschaft mit negativen Bildern behaftet, mit denen sich oft auch Pflegende konfrontiert sehen. Gleichzeitig stellte der Referent aber auch klar: „Der Pflegeberuf verändert sich.“ So gebe es mit dem überarbeiteten Pflegeberufegesetz inzwischen Vorbehaltsaufgaben für Fachkräfte sowie künftig mehr Verantwortung und erweiterte Pflegekompetenzen. „Der Pflegeberuf wird sich deutlich verändern. In der Pflege steckt Potential.“

Die in den Vorträgen wiederholt erwähnte Patientenperspektive brachte schließlich Thelke Scholz ein. „Ich möchte Ihnen Einblicke, aber auch Erkenntnisse geben“, kündigte die wissenschaftliche Angestellte mit Psychiatrieerfahrung an. Die Stimmen im Kopf mitsamt der Angst in den Spind zu sperren, Gedankenkaskaden aufzubauen und Angst vor sich aufzulösenden Wänden zu haben, all das und mehr bedeute es, an Schizophrenie mit Panikattacken zu leiden. „Der Krieg ist in mir, Verstand gegen Angst, Logik gegen Chaos“, beschrieb die freiberufliche Dozentin ihre Symptome. Heilsam sei dann, ihren Körper in Kontakt mit Materie zu bringen, eine Umarmung mit vertrauten Menschen zu spüren, aber auch ihr Hang zur Logik. Wie können Pflegende zusätzlich positiv einwirken? Scholz‘ Antwort: „Indem sie sich fragen: Verhält sich ein Patient wirklich unlogisch oder eher lösungsorientiert? Welchen tieferen Sinn hat das Verhalten, sich in die geschützte Ecke zu kauern?“ Scholz rät außerdem, Patient:innen mit Zeit, Ruhe und Empathie zu begegnen, zuzuhören und sie gelassen in ihrer eigenen Realität zu begleiten. „Ich bin zwar ent-rückt, aber nicht verrückt. Die Angst geht, wenn mein Sein akzeptiert wird.“

 Interventionen: Herausforderung und Chance
Als letzte Referentin sprach Pflegeexpertin Gitte Herwig. Sie widmete sich unter anderem der Frage, wie sich Interventionen in der Pflegepraxis nachhaltig und wirksam für Patienten:innen verankern lassen. „Implementierung ist ein sozialer Prozess, in dem aus einer formalen Entscheidung ein dauerhaft geändertes Verhalten der Praktiker:innen wird.“ Um komplexe Interventionen wie zum Beispiel eine Kochgruppe oder neue Behandlungskonzepte einzuführen, sei bedeutsam, verschiedene Punkte zu beachten: Welche Intervention wird ausgewählt? Gibt es dafür materielle und personelle Ressourcen? Was ist das Ziel? Zudem sollten förderliche und hinderliche Faktoren analysiert, Führungskräfte überzeugt sowie fürsprechende Mitarbeitende ausgewählt werden, die überzeugend im Team vorangehen. Herwig betonte auch: „Implementierung heißt immer auch zusätzliche Arbeit on top zu den Alltagsaufgaben.“

 

Am Nachmittag hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, mit den Hauptreferent:innen vertiefend zu diskutieren. In den anschließenden Workshops beschäftigten sie sich in Gruppen mit Themen wie Resilienz, Safewards und Genesungsbegleitung. Im Plenum fassten Pflegeexpert:innen in einer Statement-Runde die Erkenntnisse der Workshops schließlich zusammen.

 

BU: Auf großes Interesse bei Pflegekräften stieß das 6. Pflegesymposium des ZfP Südwürttemberg. Save the date: Das nächste Symposium findet am 26. Juni 2025 statt. Foto: ZfP Südwürttemberg

 

 

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